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Post aus Köln

Nicht nur in Wien, sondern auch an der Kölner UB lagern Bestände aus dem nicht ganz freiwilligen Vorlass von Elise und Helene Richter. Folgendes Mail erfüllte mich daher doch mit Erstaunen:


"Hallo und guten Tag,

gerade habe ich in unserer Hauspostille "Mit uns" gelesen, dass in der Kölner Universitätsbibliothek 6000 Bücher der beiden Schwestern lagern. Falls Sie möglicherweise Kontakt zu Verwandten haben - die Universität ist bereit, sie herauszugeben.

Auch hat eine Christiane Hoffrath über die beiden wohl eine Schrift veröffentlicht mit dem Titel Bücherspuren.


Mit freundlichem Gruß,

Anne Küsters

(Diplom-Bibliothekarin)"

Helene Richter Straße in Strebersdorf

Helene und Elise Richter finden ihren Weg in das kollektive Gedächntnis. Spät aber doch. Folgende OTS-Presseaussendung ist daher fast schon eine Sensation. Nachdem die Stadt Erlangen in Deutschland schon länger über eine Helene Richter Straße verfügt, um der Ehrendoktorin der hiesigen Universität die Ehre zu erweisen, zieht Wien nun nach und benennt eine Straße nach Helene Richter, die bereits im Jahre 1931 "Bürgerin der Stadt Wien" wurde. Allerdings konnte ich in meinen Forschungen keine direkten Bezüge von Helene Richter zu Strebersdorf herstellen. Aber die Benennungspraxis der Stadt Wien will es ja, dass nur neue Verkehrsflächen benannt werden dürfen. Ferner ist Helene Richter - Ironie der Biografie - auch hier zweite Wahl.


Floridsdorf - BV Lehner: "Neue Straße in Strebersdorf wird nach der jüdischen Theaterkritikerin Helene Richter benannt"Utl.: Ursprünglich geplante Namensgebung nach Margret Dietrich wegen
derer kürzlich erforschten NS-Vergangenheit wird vom Bezirk
geändert
Wien (SPW-K) - "Es war ein langer Weg, bis wir den richtigen Namen
für eine neue Gasse im Gebiet nördlich der Pädagogischen Akademie in
Strebersdorf gefunden haben. Ich freue mich nun aber, der
Theaterkritikerin Helene Richter ein Andenken in Floridsdorf setzen
zu können", sagt der Floridsdorfer Bezirksvorsteher Ing. Heinz
Lehner.

Im Frühjahr 2006 entschloss sich die Floridsdorfer
Bezirks-Benennungskommission einstimmig, die Gasse nach Margret
Dietrich, der Gründerin des Wiener Institutes für
Theaterwissenschaften zu benennen. Im Juni 2008 brachte eine Arbeit
von Studenten aber ihre unrühmliche NS-Vergangenheit zutage.
Daraufhin hat sich der Bezirk entschlossen, die Gasse Stella Kadmon
zu widmen. Dieser Frau war zwischenzeitlich aber bereits ein Weg in
einem anderen Bezirk gewidmet worden, weswegen nun die Wahl auf
Helene Richter gefallen ist. Die Namensgebung soll in der nächsten
Bezirksvertretungssitzung beschlossen werden.

"Seltsamerweise haben sich zwischenzeitlich die Grünen gerühmt,
eine Stella-Kadmon Gasse in Floridsdorf ermöglicht zu haben. Ein
entsprechender Artikel auf der Grünen Homepage ist aber einstweilen
still und leise gelöscht worden", sagt Lehner. "Das grüne Eigenlob
war wohl etwas voreilig."

Helene Richter (1861-1942)
Helene Richter wuchs mit ihrer Schwester Elise in einem behüteteten
jüdischen Elternhaus in Wien auf. Sie besuchte keine öffentliche
Schule, sondern wurde von einer Gouvernante privat unterrichtet.
Helene Richter war zeitlebens durch verschiedene Krankheiten
gezeichnet, teilweise ans Bett gefesselt. Sie bildete sich durch
autodidaktische Studien sowie Vorlesungen an der Universität Wien
weiter. Ihr Interesse lag vor allem auf den Gebieten englische
Literatur, Schauspielkunst und Burgtheatergeschichte. Für
Shakespeare-Jahrbücher schrieb sie zahlreiche Theaterkritiken. Im
Oktober 1942 wurden Helene und Elise Richter nach Theresienstadt
deportiert. Helene Richter starb im darauffolgenden November an den
Folgen der Deportation.
(Schluss)

Ausstellung zu 100 Jahre Habil von Elise Richter

Im Jahr 2005 fand eine kleine Ausstellung im Katalograum der Wiener Stadt und Landesbibliothek (nunmehr Wienbibliothek) statt. Hier nun die damalige Presseaussendung der WSTLB. Auch mittlerweile wieder ein historisches Dokument, das ich zur Vervollständigung natürlich gerne bereitstelle.
Wien, Mai 2005

PRESSEINFORMATION

Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Rathaus, Stiege 4, 1. Stock

„Unter den ersten die Erste“
ELISE RICHTER. Pionierin der weiblichen Universitätslehre


Die Wiener Stadt- und Landesbibliothek veranstaltet am Donnerstag, dem 12. Mai 2005, um 18 Uhr, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Romanistik der Universität Wien, im Lesesaal der Wiener Stadt- und Landesbibliothek einen Abend für Elise Richter (1865–1943).
Die Veranstaltung erinnert an das 100. Habilitationsjubiläum von Österreichs erster Universitätsdozentin.
Die Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek verfügt über den umfangreichen Teilnachlass von Elise Richter. Ausgewählte Exponate, die sich auf die Habilitation von Elise Richter beziehen, sind im Katalogzimmer des Handschriften-Lesesaals der Wiener Stadt- und Landesbibliothek bis 30. Juni 2005 zu sehen.

Elise Richter war eine der ersten Frauen, die in Österreich ein reguläres Studium absolvierten. Sie wurde 1901 zum Doktor der Philosophie promoviert, erhielt 1907 als erste Frau in Österreich (und Deutschland) die Lehrberechtigung für romanische Philologie und trug ab 1922 den Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors.
Ab 1928 leitete Elise Richter das phonetische Institut der Universität Wien, wo sie den inneren Zusammenhang in der Entwicklung der romanischen Sprachen erforschte. Ihre große wissenschaftliche Leistung liegt in der Entdeckung des Einflusses psychologischer Vorgänge auf die Sprache. Richters Publikationen – etwa 300 an der Zahl – decken ein weites Spektrum der romanischen Sprachwissenschaft ab. 1930 verfasste sie ihr wichtigstes wissenschaftliches Werk „Die Entwicklung der Phonologie“.
1938 wurde Elise Richter als Jüdin die Lehrbefugnis entzogen, 1943 wurde sie gemeinsam mit ihrer Schwester, der Anglistin und Theaterwissenschaftlerin Helene Richter, von den Nationalsozialisten im Vernichtungslager Theresienstadt ermordet.

Elise Richter als Wegbereiterin der österreichischen Frauenbildung

In einem wohlhabenden Elternhaus aufgewachsen, erhielt Elise Richter in ihrer Jugend gemeinsam mit ihrer Schwester Helene Privatunterricht von einer preußischen Erzieherin; ihren Wunsch zu studieren hielten die Eltern zunächst für „unmädchenhaft“, sodass sie sich ihr Wissen durch Selbststudium aneignete.
Im Jahr 1897 legte sie am Akademischen Gymnasium in Wien die Externistenmatura ab, da Mädchen vor 1896 zum Gymnasium nicht zugelassen waren. Nur durch Intervention des Vaters konnte sie im Jahr 1897 an der Universität immatrikulieren und studierte bis 1901 Romanistik, allgemeine Sprachwissenschaft, klassische Philologie und Germanistik.
Richter wurde im Jahr 1901 als dritte Frau in Österreich zum Dr. phil. promoviert, ein erstes Ansuchen auf die Lehrbefugnis am Institut für Romanistik stellte sie 1904, erteilt wurde ihr die Venia Legendi jedoch erst im Jahr 1907. Sie war damit die erste Privatdozentin in Österreich und Deutschland, jedoch ohne Besoldung bis 1927 und ohne Rückhalt im Beamtenschema.
Ort und Zeit ihrer Antrittsvorlesung musste sie aus Angst vor Protesten und Störungen von Seiten der Gegner des Frauenstudiums bis zur letzten Sekunde geheim halten.
Die außerordentliche Professur wurde Elise Richter erst 1921 verliehen, einen bezahlten Lehrauftrag für Sprachwissenschaft und Phonetik erhielt sie 1927.
1922 gründete sie den „Verband der akademischen Frauen Österreichs“ und trat für die Gründung einer Frauenpartei ein.
Im Jahr 1935 ehrte man Richter zu ihrem 70. Geburtstag zwar offiziell und die Verleihung einer ordentlichen Professur wurde angedacht, jedoch nie realisiert. Bis heute blieb Elise Richter ein Platz im Arkadenhof der Universität Wien unter ihren Kollegen verwehrt. Eine späte Auszeichnung wurde der Pionierin weiblicher Universitätslehre zuteil, als die Universität Wien im Jahr 2003 den Sitzungssaal der juristischen Fakultät in „Elise-Richter-Hörsaal“ umbenannte.

Elise Richters Nachlass in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek

Der umfangreiche Teilnachlass von Elise und Helene Richter, der sich in der Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek befindet, beinhaltet neben Elise Richters Tagebüchern aus den Jahren 1881 bis 1941 mehr als 1300 Briefe – eine Vielzahl davon an Kolleginnen und Nachfolgerinnen wie Christine Touaillon, Charlotte Bühler oder Christine Rohr. Der Teilnachlass umfasst zahlreiche Lebensdokumente, die über die Schwierigkeiten des Frauenstudiums im ausgehenden 19. Jahrhundert berichten. Darunter befindet sich etwa Richters Maturitäts-Zeugnis aus dem Jahr 1897, das zwar ihre Reifeprüfung bestätigt, aber nicht die Zulassung zum Universitätsstudium ermöglicht. Rigorosenprogramme, Promotionsurkunden sowie Stücke zum von Richter mitbegründeten „Verband der Akademikerinnen“ dokumentieren Richters Universitätsausbildung und Aktivitäten im Wissenschaftsbetrieb. Elise Richters Autobiografie „Summe des Lebens“ sowie private Fotografien geben Einblick in das Schaffen der Pionierin der weiblichen Universitätslehre.
Die Exponate in der Vitrinenschau, die bis 30. Juni 2005 im Katalogzimmer des Handschriften-Lesesaals zu sehen ist, beziehen sich auf die Habilitation von Elise Richter. Sie vermitteln in Ansätzen, dass die Ernennung einer Frau, trotz den erbrachten notwendigen akademischen Leistungen im Wien des angehenden 20. Jahrhunderts, keine Selbstverständlichkeit war.

Frauen leben Wissenschaft

1907 ist ein Jahr der Jubiläen für die Universität Wien. 110 Jahren Frauenstudium und 100 Jahre Habilitierung von Elise Richter. Lesen Sie einen Artikel zu den Feierlichkeiten.

richter_adventure (pdf, 58 KB)

Zur Habilitation von Elise Richter

[Eine Privatdozentin.] Vor einem Auditorium von Professoren der philosophischen Fakultät, zahlreichen Studenten und geladenen Gästen hielt gestern, 11 Uhr vormittags, Fräulein Dr. Elise Richter ihre Probevorlesung zur Erlangung der Privatdozentur an der philosophischen Fakultät der Wiener Universität. Als Thema behandelte sie "Celestin", ein spanisches Drama aus dem sechzehnten Jahrhundert. Fräulein Dr. Richter gab eine genaue Analyse des Schauspiels, welchem beiläufig dieselbe Fabel zu Grunde liegt, wie Shakespeares "Romeo und Julie", ohne daß jedoch nachgewiesen werden kann, ob Shakespeare in seinem Drama die Idee des spanischen Schauspiels benützt hat.

Artikel aus der "Neuen Freien Presse" vom 26. Mai 1905.

Jüdisch, intellektuell und Frau

Forschungsprojekt untersucht Leben und Werk der beiden Wiener Wissenschafterinnen Helene und Elise Richter
Am 21. Juni 1943 stirbt die renommierte Romanistik-Sprachwissenschafterin Elise Richter ein knappes Jahr nach ihrer Schwester Helene im Konzentrationslager Theresienstadt. Knapp 60 Jahre später nehmen zwei österreichische Wissenschafter in Leben und Werk der beiden hochbegabten Wiener Schwestern Einblick - an jenem Ort, an dem Elise als erste habilitierte Frau Österreichs lehrte und forschte.

"Das Institut für Romanistik der Universität Wien hat seine Geschichte lange verdrängt. Zumindest heute erinnert eine Büste am Institut an Elise Richter und an ihren Beitrag zur Romanistik": Seit einem halben Jahr beschäftigt sich der Romanist Robert Tanzmeister mit Leben und Werk der beiden Schwestern, deren ungefähr 2500 Briefe, 300 Publikationen, 60 Jahre lang geführte Notizbücher sowie unzählige Schriften derzeit in einem vom Wissenschaftsfonds finanzierten Projekt aufgearbeitet werden.

Die beiden Persönlichkeiten, die das Wiener Geistes- und Kulturleben der 20er- und 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt haben, werden dabei erstmals als eine Art Gesamtkunstwerk präsentiert: "Die beiden Schwestern haben sich symbiotisch ergänzt. Die eine kann nicht ohne die andere analysiert werden. Zu verwoben sind ihr Schaffen und Leben. Sie bildeten eine Diskussionsgemeinschaft und funktionierten als Einheit", meint Projektleiter Tanzmeister. Unkonventionelle Lebensentwürfe hätten die beiden gepflegt: "Sie haben emanzipiert und selbstbestimmt zusammen gelebt, wollten sogar gemeinsam ein Kind adoptieren", erzählt Thierry Elsen, wissenschaftlicher Projektmitarbeiter. Das Leben der beiden Töchter aus großbürgerlichem und somit privilegiertem Haus verläuft von Beginn an nicht in den für Frauen vorbestimmten Bahnen.

Die beiden Schwestern eignen sich selbst, zu Hause, das Schulwissen an, das ihnen die Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund ihres Geschlechtes verwehren will. Elise ist dennoch eine der ersten Frauen, die 1897 maturiert und im selben Jahr an der philosophischen Fakultät der Universität Wien immatrikuliert. 1901 erfolgt die Promotion, 1907 die Habilitation sowie die erste Vorlesung, "ein damals revolutionäres Ereignis", sagt Tanzmeister. Erst 1921 wird ihr als erster Frau in Österreich der Titel der "außerordentlichen Universitätsprofessorin" verliehen.

Neben der akademischen Lehre und Forschung zur romanischen Sprachwissenschaft, Literatur und Phonetik ist sie partei- und gesellschaftspolitisch in der Friedens- und Frauenbewegung engagiert sowie an Fragen der Bildungspolitik und Mädchenerziehung interessiert. Modern mutet auch Elises Auffassung von Wissenschaft vom heutigen Standpunkt aus an, steht sie doch für einen interdisziplinären Ansatz, der dem damaligen Trend der Spezialisierung entgegensteht.

Weniger institutionalisiert, dafür aber auch "freier" verläuft das Leben der vier Jahre älteren Schwester Helene, die auf ein Universitätsstudium verzichtet. Neben publizistischen Tätigkeiten macht sie sich als profunde Kennerin der englischen Romantik und als Theaterkritikerin einen Namen. "Was für Elise die Universität bedeutet, ist für Helene das Burgtheater", meint Elsen. An der damals berühmtesten Bühne des deutschsprachigen Raumes geht sie theaterbiografischen Tätigkeiten nach.

Das feministische Engagement, das sie mit ihrer Schwester teilt, erwacht mit ihrem Buch über die erste englische Feministin, Mary Wollstonecraft, deren Ideen eines liberalen Feminismus sie dem deutschsprachigen Publikum vorstellt. Zusammen mit Elise führt Helene einen der letzten Wiener Salons im bürgerlichen Cottageviertel des heutigen 18. und 19. Gemeindebezirkes.

Am 10. Oktober 1942 wird Helene gemeinsam mit Elise, die bereits 1938 ihre Lehrbefugnis verloren hatte und mit Bibliotheksverbot belegt worden war, in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie 1942 beziehungsweise 1943 sterben. Nicht einmal ein Grabstein erinnert an die beiden Frauen. Ganz zu schweigen von einer Büste im Arkadenhof der Universität Wien.

Nur recht und billig wäre es daher, meint Tanzmeister, die "Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings in Dr.-Elise-und-Helene-Richter-Ring" vorzunehmen, um "beiden auf diese Weise ihren Platz im kollektiven Gedächtnis Österreichs zu sichern". (Erika Müller/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30. 3. 2003)

Elise-Richter-Hörsaal

Dieter N. Unrath (Redaktion) am 11. September 2003, auf "www.dieuniversitaet-online.at"

Der Sitzungssaal der Juristen wurde im Sommer dieses Jahres zu Ehren der Frau, die als erste eine Lehrberechtigung an der Universität Wien bekommen hat, in Elise-Richter-Hörsaal umbenannt. DieUniversitaet.at stellt den Hörsaal im Rahmen der Serie "Orte der Universität Wien" vor.

"Elise Richter war eine der ersten weiblichen Absolventinnen und die erste Dozentin an der Universität Wien. Es ist ein Signal, dass wir die erste Frau, die an der Universität Wien diesen Status erreichte, ehren wollten", erklärt Johann Jurenitsch, Vizerektor für Forschung und Ressourcen.
Die Umbenennung fand anlässlich der Neugestaltung des Leitsystems statt, da die Rechtswissenschaftliche Fakultät seit Jahren keine Einrichtungen mehr im Hauptgebäude hat. "Der Juristensitzungssaal war somit eine historische Bezeichnung, die den aktuellen Gegebenheiten nicht mehr entsprach. Es hätte zwar die Möglichkeit gegeben, dem Saal eine neue Bezifferung zu geben, die aber nicht im Kontext der danebenliegenden Hörsäle gewesen wäre", sagt Vizerektor Johann Jurenitsch im Gespräch mit der Universitätszeitung.

Wer war Elise Richter?


Elise Richter wurde am 2. März 1865 in Wien als Tochter eines Arztes geboren. Sie nahm gemeinsam mit ihrer Schwester, Helene Richter, Privatunterricht - vor 1896 wurden Mädchen zum Gymnasium nicht zugelassen - und maturierte 1897 am Akademischen Gymnasium. Danach inskribierte sie an der Universität Wien Klassische Philologie, Indogermanistik, Germanistik und Romanistik. 1901 promovierte sie zum Doktor der Philosophie, 1907 erhielt sie als erste Frau in Österreich die Lehrberechtigung für Romanische Philologie, und 1922 wurde sie ebenfalls als erste Frau außerordentliche Universitätsprofessorin. 1928 wurde sie Leiterin des phonetischen Instituts der Universität Wien. Richter war Mitbegründerin des Verbands der akademischen Frauen Österreichs und hatte bis 1930 dessen Vorsitz inne. Bis 1938 setzte sie ihre Lehrtätigkeit fort, nach dem Anschluss Österreichs wurde sie gekündigt. 1942 wurde Elise Richter nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Juni 1943 starb. Ein Reliefporträt im Institut für Romanistik erinnert an die erste Dozentin der Universität Wien. (du)

"Die Erste unter den Ersten"

Ein Abend für Elise Richter in der Wiener Stadt und Landesbibliothek

Einladung zur Veranstaltung am 12. Mai WSTLB. Das Bild zeigt Elise Richter als junge Frau und wurde ihrem Studienbuch entnommenDie Wiener Stadt- und Landesbibliothek und das Institut für Romanistik der Universität Wien veranstalteten am 12. Mai 2005 unter dem Titel „Unter den Ersten die Erste“ einen Abend für Elise Richter (1865-1943), der ersten und einzigen habilitierten Frau der K. u. K. – Monarchie. In mehreren Vorträgen begaben sich Sylvia Mattl-Wurm und Julia Danielczyk von der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Robert Tanzmeister und Thierry Elsen vom Institut für Romanistik, sowie die Schriftstellerin und studierte Romanistin Marie-Thérèse Kerschbaumer auf eine Spurensuche der besonderen Art. Sylvia Mattl-Wurm begrüßte als Gastgeberin das Publikum und skizzierte das Leben der Jubilarin Elise Richter (die ebenfalls ihren 140. Geburtstag feiern würde). Robert Tanzmeister verwies in seinem Referat auf die Schwierigkeiten, die Elise Richter auf ihrem Universitätscurriculum begegneten und skizzierte anhand einiger prägnanter Zitate die allgemeinen Widerstände gegen weibliche Studierende im Allgemeinen und Universitätslehrerinnen im Besonderen. Thierry Elsen nahm einen Vergleich zwischen den Biografien der Romanisten Viktor Klemperer und Elise Richter vor und konzentrierte sich dabei auf das Tagebuch der beiden Persönlichkeiten. Julia Danielczyk vervollständigte die vorhergehenden Überlegungen mit einigen Bemerkungen zum Nachlass von Elise und Helene Richter. In diesem Zusammenhang verwies sie auf die Provenienz der Bestände und die Wichtigkeit wissenschaftlicher Nachlässe für die (Frauen)forschung.

Die Autorin Marie-Thérèse Kerschbaumer rundete die Vorträge mit einer kurzen Lesung aus „Der weibliche Name des Widerstands“ ab. In diesem Zusammenhang verwies sie auf ihre eigenen Erfahrungen mit dem Namen Elise Richter am Institut für Romanistik und betonte, dass mit den Schwestern Richter „eine hochbetagte Elite aus Wien weggenommen wurde“. Elise und Helene Richter wurden nach Theresienstadt deportiert und überlebten das KZ nicht.

Im Anschluss an die Vorträge hatte das Publikum die Möglichkeit eine kleine Vitrinenausstellung mit Exponaten aus dem Nachlass und begleitender Lektüre zu betrachten. Die Vitrine ist noch bis Ende Juni im Katalogsaal der Wiener Stadt- und Landesbibliothek zu sehen.


Die Bilder zur Veranstaltung in der WSTLB

Runde Jubiläen an der Wiener Romanistik

...5 / ...0 oder die Magie von so genannten „runden Geburtstagen“

5Im Gedankenjahr der Zweiten Republik spielen mehrere Daten eine wichtige Rolle. 1945 – das Ende des Zweiten Weltkriegs, 1955 – Österreich ist frei, 1995 Österreich tritt der EU bei. Diese „runden Geburtstage“ haben zweifelsohne eine gewisse Anziehungskraft – ja, man/frau könnte sie sogar als „unwiderstehlich“ bezeichnen. Um sie herum wurde heuer ein wahres Feuerwerk an Events konzipiert. Von reinen Events und „Adabei“geschichten, über Kunstprojekte im öffentlichen Raum, die zum Nachdenken anregen sollen, bis hin zur kritischen Mahnung nicht in eine „Jubilitis“ zu verfallen (Christian Ehalt bei der Einleitung zu den „Wiener Vorlesungen“). Solche runden Geburtstage oder Jubiläen haben vielleicht auch etwas mit einem im kollektiven Gedächtnis sedimentierten und gut verschütteten Glauben an die Magie der Zahlen zu tun. Schließlich beschäftigt sich ein ganzer Zweig der Esoterik – die Nummerologie – ausschließlich damit die Schwingungen von Zahlen zu erkennen und daraus gewisse Charaktereigenschaften zu erkennen. Aber auch in der Wissenschaft und der Philosophie haben „Zahlenspiele“ eine gewisse Tradition. Pythagoras und seine Schüler suchten nach „einem unkörperlichen Prinzip, das alle Dinge erklären könne“. Sie sahen es in den Zahlen, die zugleich „sinnliche Bestimmungen und abstrakte Denkbestimmungen“ sind. Die Zahlenmystik des Pythagores wurde, so das Lexikon der Symbole, in der frühchristlichen Symbolik weitergeführt. Die Dreifaltigkeit, die 7 Todsünden, die 7 Sakramente, die 12 Apostel uvm. Aus der Kabbala kennen wir ebenfalls die Zahlensymbolik: Diese „jüdische Geheimlehre aus dem 9. bis 12. Jahrhundert“ (Störig) sähe beispielsweise in der 5 ein zentrales Moment. Sie verweise auf den Menschen und die Religion. In der Kabbala werden den Buchstaben Zahlenwerte zugewiesen und somit die Verbindungen von Wörtern untereinander zu erkennen. Dem hebräischen Buchstaben He kommt so die Zahl 5 zu. 5 sei die Zahl des Lebendigen (Endres/Schimmel, 1995; 120). Schon Schiller schreibt in Piccolomini (II,1): „Fünf ist / Des Menschen Seele. / Wie der Mensch aus Gutem / und Bösen gemischt, so ist Fünf / Die erste Zahl aus Grad’ und Ungerade.“ Weitere Interpretierungsversuche sind nicht uninteressant. In der Tat ist, wie Schiller schreibt, die aus einer Geraden und einer Ungeraden (2 + 3) zusammengesetzt, ohne selbst dabei teilbar zu sein. Sie sei auch so Endres und Schimmel weiter eine Zusammensetzung aus der weiblichen 2 und der männlichen 3. C. G. Jung sieht die 5 wieder als die Zahl des natürlichen Menschen. Die Fünf ist eine bedeutende Zahl, wenn auch nicht mit der gleichem Mystik behaftet, wie etwa die Sieben. Die Fünf ist auch in der Natur eines der beliebteren Ordnungspinzipien. 5 Blütenblätter sind keine Seltenheit, 5 Finger und 5 Zehen beim Menschen auch nicht. Weitere Assoziationen zur 5: Das Pentagramm mit all seiner mythischen Bedeutung. Dies nur als Stichworte: Es gibt sicherlich noch einiges zur Symbolik der 5 zu sagen.

Abgesehen von diesen „esoterischen“ Zahlenspielen ist der Umgang mit Zahlen allgemein kulturell verankert und auch verschiedenen „Betrachtungen“ unterworfen. In der westlichen Welt hat sich ein quantitativer Gebrauch eingestellt. Zahlen dienen der Auflistung, des Vergleiches, aufbauend auf dem mittlerweile dominierenden Dezimalsystem. Das Dutzend beispielsweise verliert als Messangabe an Bedeutung. Vielleicht erklärt auch besagte Dominanz des Dezimalsystems die Vorliebe für 5 und 0 bei Jubiläen. Interessant ist es gerade in der Zeitmessung. Eine Woche hat 7 Tage und in der Regel werden 5 davon gearbeitet. So haben wir gerade im Westen im Bedeutungsfeld „Zahl“ mit zwei Subsystemen zu tun. Zahlen gelten als trocken, rationell. Sie versinnbildlichen Präzision, an der es nichts zu deuten gibt. Sie sind das repräsentative Zeichensystem für so genannte exakte Wissenschaften oder „hard sciences“, wie es im englischen Sprachgebrauch heißt.

Ein qualitativer Umgang ist jedoch (abgesehen von der teilweise „irrationalen“ Betrachtungsweise der Religion, der Esoterik etc.) gerade bei Jubiläen nicht aus der Welt zu schaffen. Auch mögen wir bestimmte Zahlen mehr als andere. Und wenn eine Musikband „Five“ heißt oder „The Jackson Five“ oder Enid Blython ihre „5 Freunde“ zu Weltruhm im Kinderzimmer verhalf, während Chanel Nr. 5 sicher eines der bekanntesten Damenparfüms ist, das die Konsumwelt je gesehen hat, ist sicher, dass die Zahl „5“ bestens in der Alltagskultur verankert ist und über eine gewisse „magische“ Ausstrahlung hat, obwohl sich ihre Bedeutung viel weniger eindeutig festzulegen scheint als etwa die 7. Zumindest in der westlichen Welt. Nun zurück zu den Jubiläen.

5Es ist allgemein bekannt, dass die Alma Mater ihren 640 Geburtstag begehen würde. Bei aller Zukunfts- und Standortdiskussion, vielleicht einmal eine willkommene Gelegenheit inne zu halten, sich von den Diskussionen um „Eliteuniversität“ u.ä. zu befreien und eine wenig zu schauen, was die Universität in der Vergangenheit war und wohin sie sich bewegte.

Auch das Institut für Romanistik könnte heuer eine wahre Flut an „runden Jubiläen“ begehen. So wurde mit der außerordentlichen Professur für Adolpho Mussafia das Institut 1860 im eigentlichen Sinn gegründet, auch wenn die ordentliche Professur aus dem Jahre 1867 stammt. Dem ersten Professor für Romanistik wurde diese Ehre zu Teil, ohne dass er ein akademisches Curriculum absolviert hatte. Er studierte zwar einige Semester Medizin benützte die Zeit jedoch im Wesentlichen um philologischen Studien nachzugehen. Selbiger Mussafia wurde indes 1835 geboren (also vor 170 Jahren) und starb 1905 – also vor genau 100 Jahren. Im gleichen Jahr erhielt er die Festschrift. Seine Schülerin Elise Richter steuerte die Bibliographie zu Mussafias Schriften bei. Einer der seltenen Fälle, dass eine Bibliographie einen Band einleitet und nicht verschämt an letzter Stelle ein stiefkindliches Dasein fristet. Selbige Elise Richter wurde eigentlich 1905 habilitiert. Sie hielt ihren Cälestinavortrag (Probevortrag) im selben Jahr, musste allerdings noch zwei Jahre auf die Venia Legendi warten. Und wenn wir schon bei den Geburtstagen sind: Elise Richter wurde am 02. März 1865 geboren. Also vor genau 140 Jahren. Und noch einmal Elise Richter. Der ehemalige Institutsvorstand Wolfgang Pollak versuchte 1980, unterstützt vom Institut für Judaistik, die Büste von Elise Richter im Arkadenhof aufstellen zu lassen. Vergebens. Auch nach 25 weiteren Jahren und einigen kleineren ehrenvollen Erwähnungen von Richter auf dem Gelände der Universität, ist ihr Einzug in den akademischen Pantheon alles andere als ein Thema. Aber weiter mit den Jubiläen: 1915 verließ der damalige „Star“ der Romanistik Wilhelm Meyer-Lübke den „Standort“ Wien und zog nach Bonn, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 1936 sein akademisches Dasein im wahrsten Sinne des Wortes fristete. Er hatte die Kanzel 1890 übernommen und lehrte also 25 Jahre in Wien. Karl Ettmayer übernahm die Professur im selben Jahr und „leitete“ die Sprachwissenschaft bis zu seinem Tod im Jahre 1938, ein Tod, den noch immer das Parfum des „Unerwarteten“ umweht. Alfred Wolfgang von Wurzbach wurde 1938 vom Institut entfernt und kehrte 1945 für genau 5 Jahre als ordentlicher Professor an sein angestammtes Institut zurück. Im gleichen Jahr kehrte ebenfalls Josef Brüch an das Institut zurück. Er hatte sich 1913 in Prag habilitiert. Seine Habil wurde – sie ahnen es – 1915 in Wien anerkannt. Georg Rabuse – aufgrund seiner Tätigkeit für das Deutsche Institut in Paris während des Nationalsozialismus auch nicht gerade eine unbelastete Figur am Institut, kommt 1965 als ordentlicher Professor. Der bereits erwähnte Wolfgang Pollak wurde als Halbjude während des Nationalsozialismus von seinem Studium ausgeschlossen. Er wurde nicht nur 1915 geboren, er übernahm 1970 die ordentliche Professur, blieb auf dem Lehrstuhl zwischen 1970 und 1985 und verstarb 1995. Also eine wahre Kette von 5. Georg Kremnitz, einer der aktuellen ordentlichen Professoren am Institut, ist Jahrgang 1945 und feiert heuer seinen 60 Geburtstag.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Doch bei so vielen Jubiläen macht sich doch etwas Neugierde breit, durch welchen „Zufall“ derartige viele Jubiläen gerade am Institut der Romanstik zum Tragen kommen. Der Spekulation sind Tür und Tor geöffnet.

Bibliografie:

Literatur: Tanzmeister, Robert (Hrgb). Zeichen des Widersprichs. Kritische Beiträge zur Geschichte der Wiener Romanistik. Wien: ISSS, 2002.
Institut für Romanistik an der Universität Wien: http://www.univie.ac.at/Romanistik
Störig, Hans Joachim: Kleiner Weltgeschichte der Philosophie. Frankfurt am Main: FTB 1995.
Bauer, Dümotz, Golowin: Lexikon der Symbole. Myhten, Symbole und Zeichen in Kultur, Religion, Kunst und Alltag. München: Wilhelm Heyne. 16. Auflage, 2001.
Endres, Carl Franz und Schimmel, Annemarie: Das Mysterium der Zahl. Zahlensymbolik im Kulturvergleich. München: Eugen Diederichs Verlag, 1995.

Beitrag von: Thierry Elsen

Eine Presseaussendung der Österreichischen Hochschülerschaft.

News, 24.01.2003
ÖH Uni Wien fordert "Abschied" von Lueger
Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger Rings in Dra. Elise Richter Ring wird geprüft


Auf Initiative der studentische Kurie prüfte der Senat der Uni Wien in seiner gestrigen Sitzung erstmals die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger Rings in Dra. Elise Richter Ring. Der Name des antisemitischen und wissenschaftsfeindlich eingestellten Lokalpolitikers soll dem Namen der ersten Dozentin und bedeutenden Sprachwissenschafterin an der Uni Wien weichen, die als Opfer der Nationalsozialisten 1943 in Theresienstadt ums Leben kam.

"Bis zur nächsten Sitzung des Senats soll eine Expertise zur Umbenennung vorliegen, auf deren Grundlage weitere Entscheidungen fallen", erklärt Peter Prantl, Kuriensprecher der ÖH Uni Wien im Senat. "Von einer einfachen Änderung der Adresse in "Universitätsstrasse 1", wie sie auch vorgeschlagen wurde, halten wir nicht viel. Denn das wäre für uns keine ernsthafte Vergangenheitsbewältigung", so Prantl.

Dem Wiener Bürgermeister Lueger war die Sympathie der Austrofaschisten sicher, die das Teilstück des Ringes 1934 nach ihm benannten. So meinte Lueger etwa, dass "das Ende des Antisemitismus" erst gekommen sei, wenn die "Judenherrschaft" ein Ende findet und das "christliche [...] Volk [...] von den schmachvollen Fesseln der Judenknechtschaft" befreit sei. Es ist also nicht verwunderlich, dass Adolf Hitler in seinem Buch "Mein Kampf" Lueger als den "gewaltigsten Deutschen Bürgermeister aller Zeiten" bezeichnete.

Elise Richter maturierte 1897 als erste Frau am Akademischen Gymnasium und war eine der drei ersten ordentlichen Hörerinnen der Universität Wien. 1901 wurde sie zur Doktora der Philosophie promoviert. 1907 erhielt sie als erste Frau eine Dozentur an der Uni Wien. 1922 wurde sie zur ordentlichen Professorin ernannt. Als solche leistete sie grundlegenden wissenschaftlichen Beiträge auf dem Bereich der Phonologie und Sprachwissenschaft. 1938 wurde ihr aufgrund der Rassengesetze die Lehrerlaubnis entzogen. Nachdem sie sich gegen eine Auswanderung wehrte, wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Helene 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie ein Jahr später starb.

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